Multitools sind heute in aller Munde – eine der allerersten Vielkönnerinnen war vor 15 Jahren die Ducati Multistrada. Doch die aktuelle 1200er mag dem einen etwas zu schwer, dem anderen etwas zu stark und einem dritten etwas zu teuer sein. Unbekümmerteren Umgang zu günstigeren Konditionen verspricht seit diesem Jahr die Multistrada 950 mit dem aus der Hypermotard bzw. Hyperstrada entliehenen, aber überarbeiteten Motor. Um es gleich vorwegzunehmen: Die „kleine“ Multistrada gehört zu der Sorte Motorrad, auf und mit dem man sich auf Anhieb wohlfühlt sowie schnell die Erkenntnis gewinnt, dass es mehr Motorrad wirklich nicht braucht.
Der 937 Kubikzentimeter große Motor in der typischen L-Form und dem charakteristisch knurrigen Ducati-Sound leistet 83 kW / 113 PS bei 9.000 Umdrehungen in der Minute und liefert ein üppiges Drehmoment von bis zu 96 Newtonmetern, die bei 7750 Touren anliegen. Da darf es ruhig schaltfaul zur Sache gehen, zumal die Gasbefehle sehr spontan umgesetzt werden. Ab 4500 Touren schiebt der Zweizylinder mit Schmackes voran und 2000 Umdrehungen weiter steigt die Leistungskurve noch einmal spürbar an.
Dabei fällt die gutmütige und auf Anhieb Vertrauen einflößende Multistrada in Kurven fast von alleine in Schräglage, geizt mit ihrem 19 Zöller vorne aber auch nicht mit einem deutlichen Aufstellmoment beim Bremsen. Selbige packen kräftig zu, und auch der hintere Stopper lässt sich gut dosieren, könnte aber ruhig eine etwas größere Hebelauflage haben.
Die MTS 950 ist ein hervorragend ausbalanciertes Motorrad und lässt sich mit ihren fahrfertigen 229 Kilogramm auch im dichten Stadtverkehr oder im Stand gut händeln, zumal sie über einen weiteren Lenkkopfwinkel verfügt als ihre große Schwester.
Apropos Stadt: Als Multitalent offeriert die 950er ihrem Fahrer die vier Fahrmodi „Touring“, „Sport“, „Urban“ und „Enduro“. Sie werden über den Rückstellknopf des Blinkers (!) aufgerufen, wobei der Touren-Mode als Standard keinen Grund zur Klage bietet. Wer auf noch etwas spontanere Gasannahme Wert legt und dafür einen weitläufigeren Regelbereich von ABS und Traktionskontrolle in Kauf nehmen möchte, der wechselt zu Sport. In den Betriebsarten Urban und Enduro verliert die Multistrada 950 gut ein Drittel ihrer Pferdestärken, wobei in einem Fall die Assistenzsysteme auf höchste Sensibiltät eingestellt sind und im anderen die Zügel für den Geländeritt (die Fußrastengummis lassen sich ganz leicht abnehmen) deutlich gelockert werden. Ducati schnürt analog dazu dem Kunden auf Wunsch auch vier gleichnamige Zubehörpakete, die jeweils eine der gewünschten Eigenschaften der Multitstrada etwas stärker betonen.
Der üppige Sammler der Auspuffanlage steht im Kontrast zu den extrem schmal gehaltenen Endrohren. Dennoch wird der im Touring-Paket (749 Euro inkl. Hauptständer) unserer Testmaschine enthaltene Kofferset an der rechten Seite sicherheitshalber noch mit einem Alu-Hitzeblech geschützt. Apropos heiß: Heizgriffe schenkt sich Ducati beim Tuningtrimm. Die serienmäßigen Handprotektoren sollen’s richten, Heizgriffe lassen sich aber bei Bedarf für 262 Euro noch nachrüsten.
Die höhenverstellbare Scheibe (Serie) bietet ebenfalls guten Schutz und trägt ebenso zum entspannten Fahren bei wie die lockere Sitzhaltung und der flache, aber breite Lenker. In Verbindung mit dem ausreichend potenten Triebwerk mutiert die Multistrada so auf der Langtsrecke durchaus zum Autobahnexpress – und wir spüren zum ersten Mal den Wunsch nach einem Tempomaten an einem Motorrad. Dem Fernreisefieber kommt auch der 20-Liter-Tank entgegen. Da ist es außerdem gut zu wissen, dass die „Touring“-Koffer bis Tempo 180 freigegeben sind, wenngleich die Italienerin natürlich locker die 200er-Marke überschreitet. Wem die akzeptablen 84 Zentimeter Sitzhöhe doch zu viel sind, der kann auch noch zu einer niedrigeren
Variante greifen (und umgekehrt).
Das LCD-Cockpit ist übersichtlich, eine kleine Plastikklammer rahmt zusätzlich die Ganganzeige ein und trägt so zu besserer Orientierung bei. Der Drehzahlmesser arbeitet nicht nur mit sich aufbauenden Balken, sondern hinterlegt die Ziffer des jeweiligen Tausender-Schritts auch noch einmal optisch. Das wilde Hin- und Herspringen in manchen Situationen nervt allerdings ein wenig, wenn man beispielsweise mit etwa 3000 Touren in der Stadt unterwegs ist und dann zwischen 2900 Umdrehungen und 3100 U/min pendelt und im raschen Wechsel mal die „2“ oder die „3“ hervorgehoben wird.
Fazit: Angesichts ihrer Ausgewogenheit und ausreichenden Performance muss sich die „kleine“ Multistrada nicht vor der großen verstecken. Wem Höchstleistung nicht über alles geht und wer ohnehin mit Fahrwerksfeinabstimmungen (bei der 1200er elektronisch einstellbar) nicht viel am Hut hat, der kann mit der hervorragend beherrschbaren MTS 950 immerhin 3600 Euro sparen und bekommt trotzdem ein äußerst stimmiges und wohlmundendes Zweirad-Menü serviert. (ampnet/jri)
Daten Ducati Multistrada 950
Motor: 90-Grad-V2, 744 ccm, luftgekühlt
Leistung: 38 kW / 52 PS bei 6200 U/min
Max. Drehmoment: 60 Nm bei 4900 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 215 km/h
Beschleunigung 0–100 km/h: 3,4 Sek.
Getriebe: sechs Gänge
Antrieb: Kette
Tankinhalt: 20 Liter
Sitzhöhe: 770 mm
Gewicht: 209 kg (fahrbereit)
Normverbrauch: 5,3 l/100 km
CO2-Emissionen: 124 g/km
Bereifung: 100/90 R 18 (vorne), 130/80 R 17 (hinten)
Preis: 13.295 Euro
Hört sich toll an. Mit elektronischen Fahrwerkseinstellungen hab ich als Hobbyfahrerin eh nichts am Hut. Vom Gewicht und von der Leistung wäre sie genau die richtige Maschine für mich.
Interessanter Beitrag! Mir wäre die Ducati allerdings etwas zu schwer.
Wer mehr über Supermoto-Bekleidung erfahren möchte kann auch gerne auf meiner Ratgeberseite vorbeischauen 🙂